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Gurs, eine eigenartige Silbe.
Wie ein Schluchzen, das die Kehle zurückhält

Louis Aragon, 1943

Nachruf Roland Paul

Roland Paul hat Maßgebliches für die Erinnerungsarbeit im Saarland geleistet. Der Plan, eine Datenbank der im Lager Gurs internierten Saarländerinnen und Saarländer aufzubauen, konnte nur mit seiner Hilfe seine Form finden.

Der langjährige Direktor des Instituts und für pfälzische Geschichte und Volkskunde in Kaiserslautern war ein weithin anerkannter Experte, wenn es um das Thema Auswanderung aus der Pfalz im 19. Jahrhundert ging. Er hatte die Lebensläufe der Auswanderer recherchiert und ihre Geschichten erzählt. Darüber wuchs ihm ein weiteres Thema zu, das ihn bis zuletzt beschäftigte und dem jüdischen Leben in der Pfalz galt.

Als nach 1933 jüdische Menschen aus der Pfalz der Verfolgung und Vernichtung durch die Nationalsozialisten ausgesetzt waren, fanden viele Hilfe bei ihren längst in Nord- und Südamerika sesshaft gewordenen Verwandten. Sie statteten ihre Angehörigen mit Geld für Schiffspassagen und Bürgschaften aus, um aus Europa zu entkommen. Viele dieser Wege führten über das Lager Gurs. Roland Paul hat über die Jüdinnen und Juden aus der Pfalz im Lager Gurs recherchiert und publiziert.

Im Auftrag der Landeszentrale für politische Bildung des Saarlandes war er 2019 im Departementsarchiv in Pau und ermittelte die Namen der im Lager Gurs internierten Saarländerinnen und Saarländer. Sein Wissen und seine Erfahrung halfen so, im Vorfeld des 80. Jahrestages der Deportation der Jüdinnen und Juden aus Baden, der Pfalz und dem Saarland am 22. Oktober 1940 die bis dahin bestehende Leerstelle in der Erinnerungsarbeit im Saarland zu schließen. Die von ihm ermittelten Daten bilden die Grundlage der Datenbank auf gurs.saarland. Auch nach Abschluss dieser Arbeit blieb er für uns ein wichtiger Gesprächspartner und Experte, dessen Urteil wir schätzten.

Am 24. Juni ist plötzlich Roland Paul verstorben. Wir haben ihm viel zu verdanken.

Zur persönlichen Website von Roland Paul
Zum Artikel über Roland Paul in der Wikipedia

Das Lager Gurs

Mindestens 500 Menschen aus dem Saarland waren in Gurs interniert. Die Internetseite „gurs.saarland“  stellt einige der dort internierten Menschen und den Alltag im Lager aus unterschiedlichen Blickwinkeln vor. Darüber hinaus stellt sie ein durchsuchbares Verzeichnis aller bislang wissenschaftlich ermittelten  Gurs-Internierten aus dem Saarland zur Verfügung. Die Internetseite soll Ausgangspunkt für weitere Aktivitäten und Angebote der Akteur*innen der Erinnerungsarbeit im Saarland sein.

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Am Rand der Pyrenäen

Das Lager Gurs am Rand der Pyrenäen entstand im April 1939 als Auffanglager für nach dem Ende des spanischen Bürgerkriegs nach Frankreich geflohene Angehörige der Republikanischen Garden. Nach dem Eintritt Frankreichs in den Zweiten Weltkrieg am 3. September 1939 war es Internierungslager für „feindliche Ausländer“. Im Oktober 1940 wurden 6.500 Jüdinnen und Juden aus Baden, der Pfalz und dem Saarland nach Gurs verschleppt. 1942 und 1943 war es Sammel- und Durchgangslager für zuvor in der unbesetzten Zone Frankreichs verhaftete Jüdinnen und Juden, die von dort in die Vernichtungslager Auschwitz und Sobibor verschleppt wurden. 1944 war es Internierungslager für Sinti und Roma. 1945 war es Lager für Kriegsgefangene und Kollaborateur*innen. Insgesamt waren rund 61.000 Menschen zwischen 1939 und 1945 auf 24 Hektar Fläche in 382 Holzbaracken eingepfercht. 1.200 Menschen ließen dort ihr Leben.

Die „Wagner-Bürckel-Aktion“

Die 134 meist älteren Menschen, die am 22. Oktober 1940 aus dem Saarland deportiert wurden, waren Opfer der sogenannten „Wagner-Bürckel-Aktion“. Sie ist benannt nach Josef Bürckel, dem Gauleiter Saarpfalz, und Robert Wagner, dem Gauleiter von Baden. Ihr Ziel war es, die in ihrem Machtbereich verbliebenen Jüdinnen und Juden zu vertreiben und über die Grenze nach Frankreich abzuschieben. Die jüngste Deportierte aus dem Saarland war die zweijährige Mathel Salmon aus Homburg, der älteste Deportierte der 88-jährige Josef Kahn aus Brotdorf. Von den 134 Deportierten starben 30 Menschen in Gurs oder in Nachbarlagern. 74 Menschen wurden in Auschwitz ermordet, wohin sie im August 1942 verbracht wurden. 30 Menschen überlebten.

Datenbank der saarländischen Internierten des Lagers Gurs

Rund 500 Saarländer*innen waren von 1939 bis 1944 im französischen Lager Gurs am Fuß der Pyrenäen interniert. Die  Interniertendatenbank gibt diesen Menschen mit ihrem jeweiligen Einzelschicksal ein Gesicht und bewahrt ihre Geschichte. Übersichtliche Tabellen liefern zu jeder Person erste wichtige Informationen wie z.B. Vorname, Name, Geburts- und Sterbeort. Darüber hinaus informieren zahlreiche Kurzbiografien sowie historische Dokumente und Fotografien über die jeweiligen Umstände der Internierung, das Leben im Lager, die Deportationen vom Lager Gurs in die Vernichtungslager in Mitteleuropa, über erfolgte Entlassungen aus dem Lager oder Rettungsaktionen und Fluchtversuche sowie über das Bemühen der Überlebenden um Entschädigung.
 
Die Interniertendatenbank ist kein abgeschlossenes Publikationsprojekt. Sie lädt zum Weiterforschen und zur Entwicklung neuer Vermittlungsformate für die regionale Erinnerungsarbeit ein. Sie ermöglicht flexible Ergänzungen und das Einarbeiten neuer Forschungsergebnisse.

Zur Datenbank der saarländischen Internierten des Lagers Gurs

Lernmaterialien „Papiere“

Bild- und Textdokumente zur Geschichte des Lager Gurs, der dort internierten Menschen und zur Ausstellung „Gurs1940“ für den Unterricht [mehr]

Foto: Adi Gold/Familie Berl

Die Geschichte des Lagers Gurs ist ein elementarer Bestandteil der Geschichte des NS-Regimes an der Saar.

Grußwort der Ministerin für Bildung und Kultur, Christine Streichert-Clivot

 

Das französische Dorf Gurs und das Saarland trennen rund 1.000 Kilometer. Die Reise zu diesem entlegenen Ort, am Rand der Pyrenäen nahe der Grenze zu Spanien, dauert auch heute noch mit dem Bus, dem Auto oder der Bahn fast einen ganzen Tag. Dennoch ist das weit entfernte Gurs ein zentraler Orientierungspunkt für die Erinnerungsarbeit im Saarland – insbesondere für Städte und Gemeinden wie zum Beispiel Saarwellingen, Homburg, Merzig, Saarbrücken, St. Wendel, Illingen, Merchweiler oder Tholey. Denn es waren diese saarländischen Orte, aus denen am 22. Oktober 1940 insgesamt 134 Frauen, Männer und Kinder im Alter zwischen zwei und 88 Jahren verschleppt wurden. Es waren Menschen, deren Familien seit Generationen an der Saar gelebt hatten. 

Den verbrecherischen und menschenverachtenden Plan dazu hatten der Gauleiter Saarpfalz, Josef Bürckel, und der Gauleiter Baden, Robert Wagner, gefasst. Sie verfolgten das Ziel, alle Jüdinnen und Juden aus ihrem Machtbereich zu vertreiben. Insgesamt wurden am 22. Oktober 1940 im Rahmen der sogenannten „Wagner-Bürckel-Aktion“ 6.504 Menschen aus Baden, der Pfalz und dem Saarland nach Gurs deportiert. 

Das Lager Gurs war eine Falle, aus der es für die jüdischen Internierten kaum ein Entkommen gab. Gurs war aber nicht nur Schicksalsort für viele Jüdinnen und Juden. 1939 war es Auffanglager für nach dem Ende des spanischen Bürgerkriegs nach Frankreich geflohene Angehörige der Republikanischen Garden. 1944 war es Internierungslager für Sinti und Roma. 

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Mindestens 500 Menschen aus dem Saarland waren in Gurs interniert. Deren Schicksale berichten von Emigration und Deportation, vom Leben und Überleben, aber auch vom Tod. Und deshalb gilt: So groß die Entfernung zwischen dem Saarland und dem Dorf Gurs auch sein mag. Die Geschichte des Lagers Gurs ist ein elementarer Bestandteil der Geschichte des NS-Regimes an der Saar. Aus diesem Grund ist es die Aufgabe saarländischer Erinnerungsarbeit, ausführlich über die Deportationen, den Alltag der Internierten und jedes einzelne menschliche Schicksal zu informieren.  

Die Internetseite gurs.saarland  widmet sich dieser Aufgabe. Sie beschreibt nicht nur das Leben im Lager aus unterschiedlichen Gesichtspunkten. Anhand ausgewählter Biografien schildert sie, wie Kinder, Familien und ältere Menschen aus dem Saarland dem Lager Gurs entkamen, dort verstarben oder nach Auschwitz deportiert und ermordet wurden. Die Internetseite versteht sich als Lern- und Informationsangebot für eigenständiges, forschendes Lernen für Schülerinnen und Schüler, Studierende sowie für  Akteurinnen und Akteure der Zivilgesellschaft, die in Initiativen, Vereinen oder als Einzelpersonen sich mit dem Thema beschäftigen wollen.

Darüber hinaus bietet gurs.saarland ab Februar 2021 ein Verzeichnis aller bislang ermittelten Gurs-Internierten aus dem Saarland. Die Entscheidung, diese Daten digital zu veröffentlichen, bietet zum einen die Möglichkeit, die räumliche Distanz zur weit entfernten Gedenkstätte in Gurs zu überwinden. Zum anderen bietet sie die notwendige Flexibilität, um inhaltliche Ergänzungen und künftige neue Forschungsergebnisse schnell und nachhaltig in die vorhandenen Materialien einzuarbeiten. 

Mein Dank gilt dem Historiker und Gurs-Experten Roland Paul, der im Auftrag der Landeszentrale für politische Bildung  des Saarlandes die im Departementsarchiv in Pau aufbewahrte Interniertendatei hinsichtlich der in Gurs internierten Saarländerinnen und Saarländer wissenschaftlich ausgewertet hat.  Mein Dank gilt auch dem Historiker und Studienrat Max Hewer, der seine Recherchen zu den in Gurs internierten Spanienkämpfern aus dem Saarland dem Projekt kollegial zur Verfügung gestellt hat.

Nicht zuletzt danke ich der Landeszentrale für politische Bildung des Saarlandes für die Koordination des Gesamtprojektes sowie den Aufbau der Internetseite und der Datenbank.

Christine Streichert-Clivot
Ministerin für Bildung und Kultur des Saarlandes

Historiker:innen und Zivilgesellschaft

Historiker:innen haben viel zur Geschichte des Lagers Gurs geforscht, und Akteur:innen und Institutionen der Zivilgesellschaft erinnern auf vielfältige Weise an die Schicksale der Opfer. Diese wichtigen Arbeiten sind Grundlage für diese Internetseite und Ausgangspunkt für die weiterführenden umfassenden Archivrecherchen des Gurs-Experten Roland Paul im Auftrag der Landeszentrale für politische Bildung des Saarlandes, deren Ergebnisse zusammen mit den Forschungsergebnissen des saarländischen Historikers Max Hewer zu den saarländischen Spanienkämpfer:innen in das Interniertenverzeichnis einfließen werden.

Neu: https://gurs.education