Alice Salmon an eine Jugendfreundin in St. Ingbert
Bis Ende April 1940 waren hauptsächlich Männer im Lager Gurs interniert. Mit dem Einmarsch der deutschen Armee in Frankreich und den Benelux-Ländern im Mai 1040 änderte sich nun auch das Leben der in Frankreich und den Benelux-Ländern lebenden deutschen Emigrantinnen.
Die meisten dieser Frauen waren vor rassischer und politischer Verfolgung aus dem Saarland, Deutschland und Österreich geflohen. Nun standen sie – unabhängig von ihrer Einstellung zum Nationalsozialismus – unter Verdacht, als „Fünfte Kolonne“ den französischen Staat und die Gesellschaft zu untergraben. Auch die Emigrantinnen und ihre Kinder waren nun „unerwünscht“ in Frankreich. Deshalb wurden ab Mitte Mai 1940 die in Frankreich, vor allem in Paris lebenden deutschen Frauen und Kinder zuerst im Winterradstadion, im Vélodrome d’Hiver, gesammelt und dann in den folgenden Tagen in das Lager Gurs gebracht. Im Mai und Juni 1940 hielten sich fast 13.000 Menschen in Gurs auf.
Das änderte sich mit der Vereinbarung des Waffenstillstandsabkommens zwischen Deutschland und Frankreich am 22. Juni 1940 und dessen Inkrafttreten am 25. Juni. Im Rahmen dieses Abkommens wurden in den folgenden Wochen die Frauen wieder entlassen, sofern sie den Nachweis über einen Wohnsitz erbrachten und belegten, dass sie über genug Geld verfügten, um die eigene Existenz zu sichern. Die Frauen erhielten von der Präfektur ausgestellte Entlassungsscheine. Sie konnten das Lager nach im Schnitt drei Monaten Haft wieder verlassen. Dabei half ihnen ein Umstand, der vielen von ihnen Schutz bot bzw. Ihre Verfolgung erschwerte: Die Lagerleitung zerstörte die angelegte Interniertenkartei, bevor die Verwaltung des Lagers vom Verteidigungs- auf das Innenministerium überging. So berichtet es die aus Bad Bergzabern deportierte und im Lager als Krankenschwester tätige Anni Ebbecke-Blum (1903-1989) im Jahr 1988 in dem vom Historischen Verein der Pfalz herausgegebenen Beitrag „Juden in Bergzabern“.
Die nach dem Waffenstillstandsabkommen in der unbesetzten Zone Frankreichs eingesetzte Vichy-Regierung hatte mit dem Lager ihre eigenen Pläne. Sie erließ am 4. Oktober ein Gesetz, das die Internierung ausländischer Jüdinnen und Juden erlaubte. Die am 25./26. Oktober 1940 aus Baden, der Pfalz und dem Saarland deportierten 6.500 Jüdinnen und Juden kamen nach Gurs, als aus dem Auffanglager bereits ein Internierungslager für ausländische Jüdinnen und Juden geworden war. Dorthin kamen in den folgenden Monaten im Rahmen von Razzien auch jene Jüdinnen, die im Sommer 1940 entlassen worden waren und sich in der unbesetzten Zone Frankreichs oder in Paris versteckt hielten.
Während der Anteil der Frauen an den saarländischen Spanienkämpfer*innen sehr gering war, war ihr Anteil an der Gruppe der vor politischer Verfolgung geflüchteten Saaremigrant*innen sehr ausgeglichen. Das mag sich aus dem Umstand erklären, dass viele Ehefrauen ihren Männern in die Emigration gefolgt sind oder selbst politisch engagiert waren.
Der Anteil der Frauen bei der Deportation der saarländischen Jüdinnen und Juden am 22. Oktober war mit einem Verhältnis von 84 Frauen zu 50 Männern sehr hoch, da es sich vielfach um ältere Frauen handelte, die es sich nicht hatten leisten können oder – aufgrund ihres hohen Alters – nicht hatten leisten wollen, das Saarland zu verlassen.
Bei der Gruppe der nach 1940 in Gurs internierten Jüdinnen und Juden aus dem Saarland, die bereits längere Zeit in Frankreich gelebt hatten, lag der Anteil der Frauen bei rund 50 Prozent.